Ferdinand Melichar
Werke
Biographie
Ferdinand Melichar
Ferdinand Melichar, geboren 1962 in Hannover/ Deutschland, studierte an der Akademie der Bildenden Künste unter anderem bei Markus Prachensky.
Seine überwiegend gegenständliche Malerei wird meist im Kontext der ‘Jungen Wilden’ wahrgenommen und zeichnet sich durch einen Hang zum Narrativen aus: Es sind meist im Bild festgefrorene Erzählungen, die Autobiographisches, Exzessives, Obessives und Archetypisches mischen und gerne dunkle Grün-, Blau- und Brauntöne favorisieren. Manche dieser großformatigen Ölbilder wirken wie Planskizzen zu einem Film und tatsächlich hat der Künstler mehrere Drehbücher geschrieben, darunter eines, das vorab als Malzyklus unter dem Titel „Am Leben malen“ realisiert wurde und Beziehungskomplikationen verhandelt.
In einer weiteren Serie mit dem Titel „Die Aktionistinnen“ greift Melichar den slawischen Mythos der Waldfrau auf. Der Titel bezieht sich ironisch und kontrafaktisch auf den Wiener Aktionismus, nur, dass hier Frauen eines wilden Stammes, so der Künstler, „im Sommer nackt, im Winter nur in Fell gehüllt durch die Wälder streifen. Dass sie Rituale abhalten und dass von Zeit zu Zeit ein Mann aus dem Ort verschwindet.“ In dieser paganistischen Phantasie, die ein wenig an den Film „Wicker Man“ mit seinem Menschenopfer erinnert, werden die Männer als „Aktionsmaterial“ begriffen. Doch jenseits vom Erzählerischen ist es Ferdinand Melichars Blick auf Landschaften und da vor allem auf den Wald als Ort dunkler Geheimnisse, der fasziniert.
In seinen Waldstudien, aber auch in den zerklüfteten (Selbst)Porträts und dicht gestaffelten Figurengruppen, manches davon in bewusster Unschärfe, schafft Ferdinand Melichar künstlerische Orte, an denen der Betrachter mit seinen Urängsten konfrontiert wird.
Der Künstler lebt und arbeitet in Wien.
Texte
Eine Ästhetik der Absichtslosigkeit – zu den Bildern von Ferdinand Melichar
Ferdinand Melichars Bildern bin ich zu Beginn des zweiten Pandemie-Jahres begegnet. Museen und Galerien hatten geschlossen, der Hunger nach real erlebbarer Kunst konnte wenigstens durch einen Blick von außen in die Ausstellungen der Galerien gemildert werden. In den späten Winterabenden durch den Ersten Bezirk von Galerie zu Galerie zu flanieren war eine der wenigen Erlebnismöglichkeiten in dieser kargen Zeit. Dass einem der Zugang zu den Kunstwerken durch den Lockdown verwehrt war, hat die Aufmerksamkeit für die Objekte, die man in den hell erleuchteten Innenräumen entdecken konnte, noch geschärft.
Das Wald-Bild von Ferdinand Melichar in der Galerie Smolka Contemporary hat mich sofort in den Bann gezogen. Die Beziehung zu einem Kunstwerk, das einen packt, ist schwer in Worte zu fassen. Wenn ich es nachträglich rationalisieren will ist es der Eindruck, hier der Natur unmittelbar zu begegnen, eintauchen zu können, präziser: eintauchen in eine Momentaufnahme dieses Waldes, der so tröstlich zu sein scheint, und ihn mit den Augen und dem Herzen des Künstlers erfahren zu können. Es war dieser Eindruck der Unmittelbarkeit, der mich so berührt hat. In diesem Bild sollte kein offensichtlicher Kunstwille, kein Kunststil zum Ausdruck gebracht werden. Wobei auf rationaler Ebene natürlich klar ist, dass dieser Eindruck von Seiten des Betrachtenden eine Illusion ist, das Ergebnis künstlerischer und theoretischer Positionen und Reflexionen, die sich im Bild manifestieren und gerade diese Vorstellung hervorrufen.
Damit soll nicht gegen den Kunstgestus argumentiert werden, ganz im Gegenteil: als Nicht-Künstlerin habe ich höchsten Respekt für Menschen, die sich für die Kunst und die Kunstwelt entscheiden. Sie müssen in einem Universum von bereits existierenden künstlerischen Ausdrucksformen ihre eigene Sprache, ihre ästhetischen Mittel, ihre Themen und ihren Zugang zur Welt finden. Seit Pierre Bourdieu wissen wir, dass nicht die Kunst den Künstler ausmacht, sondern die Anerkennung im Kunstbetrieb. Wer im Feld der Kunst bestehen will, muss in der Ökonomie der Aufmerksamkeit agieren, seine / ihre ästhetische „Marke“ strategisch auf- und ausbauen. Und das ist weitaus härter als in anderen sozialen Feldern wie etwa der Wissenschaft, aus der ich komme. In der Kunst exponiert man sich mit seinem ganzen Selbst. Wer sich dafür entscheidet, geht ein hohes, auch emotional hohes Risiko ein.
Ferdinand Melichars Bilder scheinen diesen ästhetischen Kunstwillen hinter sich zu lassen, nicht auf Anerkennung in der Kunstwelt abzuzielen. Sie strahlen etwas Nicht-Strategisches, Absichtsloses aus, das vielleicht gerade deswegen umso stärker beeindruckt und bewegt.
Mag. Dr. Heidemarie Uhl
Historikerin, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien